Die materialistische Lehre, daß die Menschen Produkte der Umstände und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände und geänderter Erziehung sind, vergißt, daß die Umstände eben von den Menschen verändert werden und daß der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie kommt daher mit Notwendigkeit dahin, die Gesellschaft in zwei Teile zu sondern, von denen der eine über der Gesellschaft erhaben ist.
Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit kann nur als umwälzende Praxis gefaßt und rationell verstanden werden.

Das Rixinger-Papier: Die LINKE zum Klima

Am 28. Juni 2019 meldeten sich Bernd Riexinger und Lorenz Gösta Beutin von der Partei Die Linke zum Thema „Das Klima, nicht den Kapitalismus retten“ zu Wort. Ist es von Bedeutung, dass nicht die Partei, sondern nur zwei – aber immerhin unter Linken prominente Mitglieder, Riexinger ist ja Vorsitzender – Mitglieder das Wort ergreifen? Jedenfalls liest sich der Text wie ein Appell an die Mitglieder, der ein Appell an die Gesellschaft sein und besonders die Klimaaktivisten ansprechen möchte. Die Formulierungen sind umständlich und verschwommen, irgendwie will man eine andere Gesellschaft, aber man traut sich nicht, es zu deutlich zu formulieren.

Aber es steckt mehr als nur Parteitaktik in den verschwurbelten Aussagen. „DIE LINKE rettet Klima und Menschen, nicht Kapitalismus und Aktienkurse“. Also auf der einen Seite das arme Klima und die armen Menschen, auf der anderen der böse Kapitalismus und die bösen Aktienkurse, vor denen die Armen gerettet werden müssen. Diese abstrakte Gegenüberstellung hat einen Vorteil: Es werden die Verhältnisse in der Klimafrage mal zurechtgerückt, nicht ‚die Verbraucher‘ verantwortlich gemacht, sondern die Hersteller. „Energiewirtschaft, Industrie, Automobilkonzerne, Gebäudewirtschaft und Landwirtschaft müssen radikal umsteuern, um auch nur in die Nähe dieser zu schwachen Klimaziele zu kommen“. Diese Forderung wird mit konkreten Zahlen unterstützt: „100 Konzerne sind seit 1988 für 71 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Über die Hälfte der globalen Emissionen sind von 25 Unternehmen und staatliche Einrichtungen verursacht“. Dementsprechend wird auch die Politik kritisiert, die Lösungen auf den von den Herstellern akzeptierten Rahmen – Profitmaximierung – beschränken will. „Darum wird heute auf eine Modernisierung des Kapitalismus hingearbeitet, die am Exportmodell festhält und dieses mit vorsichtigen Schritten sozialerer Regulierung verbindet. Ökologische Modernisierungsprozesse sollen zusammen mit der Wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit fördern. »Grüner Kapitalismus« mit marktfreundlichem CO2-Emissionshandel und Ökosteuer zementiert die Illusion, dass Profitstreben und Umweltschutz Hand in Hand gehen können. Mehr Produktion, mehr Wachstum, niedrige Energie-, Rohstoff- und Lohnkosten wird im Kapitalismus alles andere untergeordnet“. Und entsprechend dieser Kapitalismuskritik will Die Linke auch eine andere Politik betreiben: „LINKE Klimapolitik legt sich mit den mächtigsten Konzernen der Welt an, die alles daran setzen, um weiter am fossilen Turbo-Kapitalismus zu verdienen“.

Wie soll diese linke Klimapolitik konkret aussehen? Sieben Punkte werden näher ausgeführt:

  1. „Energiewende beschleunigen, Energiekonzerne vergesellschaften, Energiearmut bekämpfen“
  2. „Umsteuern für eine sozial-ökologische Mobilität der Zukunft“
  3. „Wohnen bezahlbar für alle und ökologisch“
  4. „Regionale Kreisläufe stärken, gute Nahrungsmittel für alle“
  5. „Sozial-ökologische Innovation in Industrie und Handel, gute und sinnvolle Arbeit für alle, Demokratie in der Wirtschaft“
  6. „Millionärssteuer für sozialen Klimaschutz und gerechte Übergänge“
  7. „Klimagerechtigkeit als historische Verantwortung des Nordens, Bekämpfung von Fluchtursachen“. Hier gibt es dann viel Wortgeklingel und wenig Konkretes.
  • zu 1. „Kohleausstieg bis 2030 , der jetzt mit der Abschaltung der 20 dreckigsten Braunkohlekraftwerke beginnt“, „separate Fonds in den betroffenen Kohleregionen“, „demokratische Gestaltung des Strukturwandels durch die Menschen vor Ort“, „Vergesellschaftung der großen Energiekonzerne“, „eine Stromerzeugung, die sich in Genossenschaften, Bürgerenergie und Stadtwerken organisiert“, „Stromnetze genauso wie die Nah- und Fernwärmenetze in die öffentliche Hand“. Nur zwei wirklich konkrete Forderungen, die von Umweltinitiativen übernommen wurden – Kohleausstieg bis 2030 und Abschaltung der 20 dreckigsten Braunkohlekraftwerke -, und viel demokratischer Sozialstaat: „DIE LINKE verhindert Strommonopole, bekämpft Energiearmut, verbietet Stromsperren, führt soziale Stromtarife ein, die einkommensschwache Haushalte entlasten und zum Energiesparen anregen. Strompreise werden von der staatlichen Strompreisaufsicht sozial verträglich kontrolliert“.
  • zu 2. „Bahn von einer profitorientierten AG zu einer Bürgerbahn für alle“, „ländlichen Raum und in den Ballungsräumen massiv öffentlich investiert, gut bezahlte und abgesicherte Arbeitsplätze geschaffen“, „Flugverkehr deutlich stärker besteuert und durch Kontingentregelungen oder soziale Staffelung sozial gerecht“, „Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, kostenfrei“, „Stadt der kurzen Wege, Verkehrsvermeidung statt langer Wege und Autokollaps“, „Innenstädte werden frei von unnötigem Individual-Autoverkehr, Radfahrerinnen und Radfahrer und Fußgängerinnen und Fußgänger haben Vorrang. Neben dem Nahverkehr gibt es intelligente und gemeinwohl-, statt profit-orientierter Carsharing-Projekte.“, „ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen“. Konkret sind wie oben nur die Forderungen die direkt aus der Klimabewegung (oder FFF oder was auch immer du meinst) übernommen wurden: Bürgerbahn, Flüge sozial gerecht besteuern, mehr Nahverkehr, mehr Radfahrer, Carsharing, ab 2030 keine neuen Verbrennungsmotoren mehr.
  • zu 3. „gesetzlichen Fahrplan für energetische Sanierungen“, „bezahlbarer kommunaler Wohnungsbau in Genossenschaften und öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften“, natürlich alles sozial gerecht. Wie das konkret aussieht, kann man dann in Berlin bewundern. Dort schufen die Genossenschaften und öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften jedenfalls nicht genügend bezahlbaren Wohnraum.
  • zu 4. „Eine Handelspolitik, die klimaschädliche Exporte fördert, wird beendet“, „Die Industrie muss verbindlich Emissionen reduzieren“, „Die Industrie entwickelt mittels Vorgaben ressourcensparende, langlebige Produkte, die stärker in eine regionale Kreislaufwirtschaft eingebettet sind“, „Einkommensgarantien, radikale Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich, Recht auf Weiterbildung, Investitionen in tariflich abgesicherte, besser bezahlte und gesellschaftlich sinnvolle Arbeit etwa im Maschinenbau, Bahn(güter)produktion, Gesundheits- und Sozialberufen, in den Kommunen und in der Umwelttechnik“, „eine sozial-ökologische Wirtschaftsdemokratie: durch Wirtschaftsräte unter Beteiligung der Belegschaften, der Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände sowie gewählter Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, Länder und des Bundes“. Es findet keine Vergesellschaftung statt, sondern der Staat – die potentielle ‚Wirtschaftsdemokratie‘ – macht den privaten Herstellern Vorgaben und schafft sozialen Ausgleich.
  • zu 5. „Die Einführung einer Vermögenssteuer zur Finanzierung dieser Zukunftsinvestitionen wird zum Prüfstein einer glaubwürdigen Klimapolitik“. Ein alter Schlager – die Vermögenssteuer – soll all das obige finanzieren. Wie hoch muss diese Vermögenssteuer sein, um all das gewünschte finanzieren zu können? Wie will man eine solche Vermögenssteuer durchsetzen? Und wie will man die dann folgende Vermögensflucht verhindern?
  • zu 6. nichts Näheres.

Alle diese alten Gassenhauer – Wirtschaftsdemokratie, Sozialstaat, Industriepolitik, Infrastrukturmaßnahmen, Steuern etc. pp. – machen nur Sinn, wenn man „die Gesellschaft“, die dann durch den „Staat“ vertreten wird, abstrakt „den Konzernen“ gegenüberstellt, die diese Gesellschaft bösartig beherrschen. Dabei werden diese ‚Bösen‘ nicht überwunden, sondern nur „gebändigt“. Und der Sumpf, aus dem immer wieder neue Böse hochkommen, das Kleinkrautertum, soll sogar noch gefördert wenerden. Natürlich in sozial gerechten und ökologischen Kreisläufen. Aber diese kann es nicht geben, solange es Profitstreben gibt, man denke an alle Projekte mit dem geschlossenen Handelsstaat (Fichte), dem sozialen Volksstaat des 19. Jahrhunderts (oder eben die DDR). Alle diese Vorstellungen von einem sozialen Staat sind biszer gescheitert, weil in der Gesellschaft eben keine sozialen Mechanismen – ebensowenig wie grüne – wirken. In einer bürgerlichen Gesellschaft müssen sich Soziales und Grünes rentieren für die Unternehmer. Auch wie die vergesellschafteten Bereiche planen sollen, bleibt im Dunkeln.
So einfach ist es aber leider nicht, weshalb diese alten Mittel schon genügend Beweise ihrer Untauglichkeit für eine gesellschaftliche Umgestaltung geliefert haben in der (bundes)deutschen Geschichte. Die Gesellschaft selbst ist bürgerlich, die Menschen schaffen diese Gesellschaft tagtäglich in den Fabriken, in den Verwaltungen, im Konsum. Nur eine Umwälzung der gesamten Gesellschaft mit und durch die Menschen befreit aus diesem Hamsterrad. Wie Schritte einer solchen Umwälzung aussehen müssen, deren letztlicher Clou die Umverteilung von Arbeit wäre, skizzieren wir in unserem Büchlein ‚Goodbye Kapital‚.

Für Die Linke ist es sicher ein Fortschritt, die Klimakrise wahrzunehmen und sich mit den Forderungen der ‚Klimabewegung‘ auseinanderzusetzen. Die Forderungen, die sie von der Bewegung übernimmt, sind gut, wenn auch nicht ausreichend. Zu anderen – vor allem der Kernforderung nach CO2-Steuer – schweigt man sich lieber aus. Und umgeht damit die zentrale Frage. Von einer Partei, die links sein will, fortschrittlich und sozial, kann man mehr erwarten.

Das Thesenpapier ist überschrieben mit; „Das Klima, nicht den Kapitalismus retten – Für einen sozialen und ökologischen Systemwandel“. Für diese vollmundige Ankündigung ist es allerdings letztlich recht enttäuschend. Positiv könnte man festhalten, dass „die Illusion, dass Profitstreben und Umweltschutz Hand in Hand gehen können“ kritisiert wird, auch wenn dies eigentlich nicht erklärt oder ausgeführt wird. Weiterhin positiv wäre, dass endlich einmal die Hersteller ins Visier genommen werden, statt immer nur auf ‚die Verbraucher‘ zu zeigen. In den Lösungsansätzen, wird dann die Eigentumsfrage zumindest am Rande ins Spiel gebracht, am deutlichsten bei der „Vergesellschaftung der großen Energiekonzerne“. Aber das war es dann auch schon.

Die angeführten Punkte werden bei weitem nicht ausreichen um das ‚Klima zu retten‘. Das zweite Versprechen, für einen ‚Systemwandel‘ einzutreten, wird noch weniger erfüllt. Überhaupt erfahren wir zum ‚System‘ recht wenig. Zwar wird vollkommen richtig festgehalten, dass „[m]ehr Produktion, mehr Wachstum, niedrige Energie-, Rohstoff- und Lohnkosten […] im Kapitalismus alles andere untergeordnet“ wird, aber mit den beschriebenen Forderungen wird sich daran nichts ändern. Den Profit maximal zu erhöhen ist das Lebenselixier des auf Lohnarbeit beruhenden Systems. Dies bloß zügeln zu wollen ist so erfolgversprechend, wie einer Katze zu verbieten Mäuse zu fangen. Aber genau dies ist der Plan von Riexinger und Beutin. Wie oben angeführt findet gerade keine Vergesellschaftung statt, sondern der Staat soll den privaten Herstellern Vorgaben machen und sozialen Ausgleich schaffen. ‚Grüner Kapitalismus‘ wird zwar zu recht als ‚Illusion‘ gebrandmarkt, nur leider besteht ihr Gegenkonzept nur darin, den „grünen“ um den „sozialen Kapitalismus“ zu ergänzen.

micha

assoziation.info August '19